Musik machen – schön und gut, aber auch auswendig lernen? Nun ja, unbedingt! Denn wer auswendig spielt, ist viel freier mit der Musik, kann sich besser auf die Kunst des Vortragens konzentrieren anstatt den Noten hinterher zu rennen, kann sich selbst besser zuhören und das Stück genießen!

Bloß wie? Manche Konzertpianisten (andere Musiker sicherlich auch) schaffen es, an die 10 Stunden Musik im Kopf zu behalten! Wie machen sie das? Keine Ahnung! Wenn eine Seite eine Minute dauert, sind es 600 Seiten auswendig! Sehr viel! Um so viel geht es in diesem Beitrag nicht, aber das Lieblingsstück auswendig zu können ist machbar.

Ich habe mir Gedanken über verschiedene Arten des Gedächtnisses gemacht, meiner Meinung nach benutzt man beim musizieren folgende Methoden:

    Fotografisches Gedächtnis. Ich habe die Noten gesehen, das Blatt „abfotografiert “ und spiele nun nach Noten vor meinem inneren Auge. Kann jederzeit nachschlagen und das umblättern fällt auch weg, im Kopf geht das ja ganz schnell! Eine schöne Vorstellung, dennoch für mich impraktikabel, da ich ein schwach ausgeprägtes visuelles Gedächtnis habe. Für ein Paar komplizierte Akkordfolgen kann das fotografische Gedächtnis aber durchaus eingesetzt werden — manchmal hilft es, sich wenige Notenbilder einzuprägen, um sie dann im nötigen Moment abzurufen. Oder ich male mir im Notentext die Hinweise, wie Ausrufezeichen, Kreise um die Noten, Fratzen bei komplizierten Passagen und erinnere mich dann an die Hinweise mitsamt der Notenfolgen.
    Physiologisches Gedächtnis. Wer kennt das nicht? Ich spiele das Stück so lange rauf und runter und irgendwann brauche ich die Noten nicht mehr, die Hände machen es irgendwie allein. Ich brauch dabei auch nicht besonders viel nachzudenken, kann aus dem Fenster schauen und spielen, spielen, spielen…. bis mein Telefon klingelt, oder mein Bein juckt, oder was anderes Unerwartetes passiert! Dann bin ich nämlich raus! Es geht auch nicht mehr weiter, ich kann nur wieder ganz von vorne anfangen und hoffentlich stolpere ich nicht wieder an der gleichen Stelle… Ja! Das Hände- Gedächtnis ist nur dann zuverlässig, wenn keine Stressfaktoren vorliegen und alles absolut wie immer abläuft. Für komplette Stücke ist das daher nicht geeignet. Aber sehr sinnvoll bei dem Auswendiglernen der Passagen oder der Begleitung, wenn die Aufmerksamkeit bei der anderen Hand ist. Die Hände merken sich die Abstände zwischen den Sprüngen, die Handstellung, welche Finger wann eingesetzt werden. Das Üben und wiederholen kleinerer Abschnitte begünstigt das mechanische Auswendiglernen enorm.
    Musikalisches Gedächtnis. Bei dieser Art des Gedächtnisses handelt es sich eigentlich um Musikalität. Ein Gespür für die melodische Entwicklung, das musikalische Gehör. Ich habe mir die Melodie eingeprägt, ich kann sie vorsingen. Ich kenne vielleicht schon das Stück, das ist bei mir „im Ohr“. Das häufige bewusste Anhören des Stücks und das Singen (nicht wichtig ob gut oder schlecht!) helfen hier beim Auswendiglernen.
    Musik-theoretisches Gedächtnis. Wie der Name schon verrät, handelt es sich hierbei um Wissenschaft Musik. Harmonisch-musikalische Zusammenhänge erkennen und merken ist einfacher, als einen Haufen zusammengesetzter Noten. Tonalität erkennen, in Intervallen und Akkorden denken, Modulationen verstehen. Um auf dieses Gedächtnis zu stützten ist das Erlernen der Grundlagen der Musiktheorie unabdingbar.
    Analytisches Gedächtnis. Wie ist das Stück aufgebaut? Gibt es Wiederholungen? Was kommt wonach? Vielleicht gewisse Muster, die sich durch das Stück schlängeln? Wie verhalten sich die Hände zueinander? Wo ist die Begleitung, wo die Melodie? Strukturen schaffen! Eselsbrücken bauen! Analysieren und dadurch merken.

Wer all diese Methoden kombiniert anwendet, lernt effektiv auswendig!

Viel Spaß beim Musizieren!